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Die Krankenversicherung von 1881 bis heute: Rückschau, Momentaufnahme und Prognose: 1

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Eine Betrachtung der Entstehung der Krankenversicherungssysteme in Deutschland, die überrascht und erschreckt. Wie alles begann – die Positionierung heute – Prognosen und Alternativen.

Der Blogartikel, in mehreren Folgen veröffentlicht, soll inhaltlich dazu beitragen, die Problematik im Gesundheitssytem besser erkennen und verstehen zu können. Was ist in ca. 150 Jahren erreicht worden – wer hat welche Interessen und wo liegt die Ursache heutiger Probleme in der Neuordnung, denn anders kann die Thematik nicht gelöst werden, im Gesundheitssystem?

Folge 1: Die GKV, eine Behörde entsteht.

[Artikel 22 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte von 1948]

“Jeder Mensch hat als Mitglied der Gesellschaft Recht auf soziale Sicherheit; er hat Anspruch darauf, durch innerstaatliche Maßnahmen und internationale Zusammenarbeit unter Berücksichtigung der Organisation und der Hilfsmittel jedes Staates in den Genuss der für seine Würde und die freie Entwicklung seiner Persönlichkeit unentbehrlichen wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte zu gelangen.”

Mit seiner kaiserlichen Botschaft vom 17.11.1881 leitete Kaiser Wilhelm I auf Initiative des damaligen Reichskanzlers Otto von Bismarck den Aufbau einer Arbeitnehmerversicherung in Deutschland offiziell ein.

In den Nachkriegsjahren ab 1871, die deutsche Einheit war bereits ohne Beteiligung des Volkes entstanden, betrieb Otto von Bismarck die Reichsgründung mithilfe der damaligen Fürsten aus 25 Einzelstaaten. Diese sogenannte Gründerzeit war vom wirtschaftlichen Aufschwung geprägt. Aus dem damaligen Agrarstaat entwickelte sich ein Industriestaat dessen Hautnutznießer das gehobene Bürgertum war.

Es waren die Arbeiter, mit deren Einsatz und auf deren Rücken alles aufgebaut wurde und die keinerlei Absicherung gegen jede Art von Nöte hatten. Hilfskassen, Armenpflege und Fürsorge linderten das Leid aber halfen nicht wirklich aus der Not. Streik setzte sich als Kampfmittel immer mehr durch.

1869 gründeten August Bebel und Wilhelm Liebknecht in Eisenach die “Sozialdemokratische Arbeiterpartei”. 1875 schließen sie sich mit dem von Ferdinand Lassalle gegründeten “Allgemeinen Deutschen Arbeiterverein” zur “Sozialistischen Arbeiterpartei Deutschlands” zusammen, der Vorläuferin der heutigen SPD.

Bismarck betrachtete die Sozialdemokratie als zentralen inneren Feind des Staates. Auf der einen Seite bekämpft er diese Partei, andererseits trieb er die Bindung der Arbeiter an den Staat per sozialer Gesetzgebung weiter voran. Die Arbeiterbewegung selbst wurde weiter unterdrückt. Gefängnisstrafen, Auswanderungszwänge und Zuchthaus waren dafür die geeigneten Mittel.

Mitte Juni 1883 ist es dann soweit – der Reichstag verabschiedet das “Gesetz betreffend die Krankenversicherung der Arbeiter”. Es betrifft alle Arbeiter mit einem Jahreseinkommen mit bis zu 2.000 RM. Die Jahresarbeitsendgeldgrenze wurde damit erfunden – Pflichtigkeit definiert.

Die Beiträge werden auch damals schon geteilt: der Arbeitnehmer trägt davon 2/3 und Arbeitgeber 1/3 (auch heute zahlt der Versicherte mehr). Der Versicherungsschutz selbst beträgt in der Regel maximal 13 Wochen – kann per Kasse aber auch auf bis zu einem Jahr verlängert werden.

Zu den Leistungen: ärztliche Behandlung und Arzneimittel sind frei; bei Erwerbsunfähigkeit erhalten sie ein Krankengeld von 50 Prozent des Tageslohns und es gab die Zahlung von Sterbegeld (heute nicht mehr versichert).

Zusätzlich gab es eine Wochenhilfeunterstützung und eine Art Beihilfe für Angehörige. Schon damals gab es „Kann-Leistungen“ in Form von Krankenhausbehandlungen in den mittlerweile verstaatlichten Krankenhäusern. Wer die Leistung erhielt, war nicht wirklich nachvollziehbar. Die Rest-Arbeitskraft war entscheidend und damit der “Wert” des Erkrankten.

Es folgte der Krankenversicherung die Unfallversicherung, begründet durch die extrem unsicheren Arbeitsplätze und die Problematik, nur dann Geld vom Arbeitgeber erhalten zu können, wenn man diesem die Schuld an einen Unfall nachweisen konnte, was fast nie möglich war (Haftpflichtgesetz 1871).

Als dritte Säule folgte 1889 das “Gesetz betreffend die Invalidität und Altersversicherung”. Es ging hierbei um die Regelung der Versorgung der Beschäftigten bei Invalidität und im Alter. Die Versicherungspflicht galt für Personen ab dem 16. Lebensjahr und auch für Angestellte mit einem Jahreseinkommen bis zu 2.000 RM (Reichsmark).

Bei Invalidität, damals mit einer Einschränkung von 66% der Arbeitsfähigkeit definiert, wird ein Drittel des damaligen Durchschnittslohnes gezahlt. Heute ist es, betrachten wir die Definition zur BU / AU, nicht wirklich besser geregelt.

Damals gab es kein festgelegtes Rentenalter – heute wird an einem ähnlichen Zustand „gearbeitet“. Jeder der damals das 70. Lebensjahr erreichte, hatte Anspruch auf eine Art Altersrente: “Sicherheitszuschuss zum Lebensunterhalt”. Heute nähern wir uns dieser Altersgrenze und der Zuschuss heißt Hartz 4. Was wurde also erreicht seit 1890?

Die Widerstände gegenüber den Plänen Bismarcks waren groß, insbesondere der Reichszuschuss wird als “Staatssozialismus” kritisiert. Diesmal waren es die Liberalen, die die Hauptgegner der Sozialgesetzgebung und den “Wohlfahrtsstaat” waren.

Die Unternehmer selbst sahen ihre Gewinne dadurch gemindert und wollten das nicht hinnehmen. Auch die katholische Zentrumspartei (!) kritisiert die staatliche Hilfe, weil sie die christliche Pflicht zur Nächstenliebe unterhöhle, so die damalige Argumentation. Die Sozialdemokraten schlossen sich der Kritik am Sozialstaat mit an!!!!!

Bis heute ist das alles nicht wirklich anders, so mein Empfinden, betrachtet man den Zeitraum von ca. 150 Jahren. Wir haben eine Krankenversicherung, nicht damit es uns gut geht, sondern damit wir arbeitsfähig sind – so meine These, lese ich über “Bewiligungen”  von Leistungen in der GKV (meist wird, sofern teuer, erstmal abgeleht). Leistungen sind zwar festgeschrieben, unterliegen aber der

„Angemessenheit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit, die das notwendige Maß nicht überschreiten darf“.

Heißt was?

Seit 2001 gibt es auch eine Neuordnung im Bereich der Berufsunfähigkeit. Von Absicherung ist nicht mehr wirklich die Rede, liest man die gesetzliche Grundlage. Statt Absicherung: Abstrakte Verweisung.

Die Gesetzliche Krankenversicherung, eine Behörde, erhält heute von den Versicherten p.A. 240,- Mrd. Euro Beiträge – diese Beitragszahler haben aber keinerlei Stimmrecht. Der neue „Verwaltungs-Palast“ des Spitzenverbandes, an einem besonders attraktivem und kostspieligen Immobilienstandort errichtet, kostet p.M. 330.000,- € Miete!

Leistungen sind weiter In-transparent, wie seiner Zeit die stationäre Behandlung in der Leistungszusage. Grundlegende Bestimmungen, wie die „Medizinische Notwendigkeit“ bis heute nicht klar und greifbar definiert sind.

Dem Rentenalter von damals nähern wir uns wieder aktiv an. Die Lebensarbeitszeit soll mal wieder verlängert werden.

Betrachten wir die Zeit um 1880 und vergleichen es mit der heutigen Zeit: Was wurde wirklich weiter entwickelt und was wurde wirklich nachhaltig verbessert um Deutschland einen Sozialstaat nennen zu können? Wen wurde geholfen – wessen Interessen wirklich vertreten?

Wohin geht die Fahrt?

Geschichte der PKV in Teil 2

Frank Dietrich   

PremiumCircle Berlin

Vergleiche für PKV, BU und Pflege


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